Die Harmonie

 

The Harmony

 

 

Die Harmonie zwischen Baum und Schale ist von außerordentlicher Bedeutung. Die Schale ist eine Erweiterung des Baumes und kann seine Qualität verbessern. Wie aber findet man unter den beinahe unzähligen, in fast jeder Form, Farbe und Größe zur Verfügung stehenden Schalen die richtige Schale? Ich vermute, daß es ein lebenslanger Prozess der Auseinandersetzung mit Bonsai ist, der immer mehr Sicherheit bei der Auswahl der Schale gibt. Die Fokussierung auf eine bestimmte Schale setzt ein komplexes Wissen um und das Beherrschen der Bonsaikunst voraus. Nur wenn ich eine große Anzahl Bilder von Bonsai ( Bäume, Schalen, Bäume und Schalen im Zusammenspiel ) im Kopf gespeichert habe, bin ich auch in der Lage, neue Kombinationen abzurufen, um dann die passende Schale für einen Baum auszusuchen. Das ist das Ziel. Auf dem Weg dorthin erweitert jeder gemachte und erkannte Fehler das eigene Wissen, um letztlich zu einem sicheren Urteil zu gelangen. In diesem Sinne folgen einige Überlegungen.

In der Gefäßkeramik hatten und haben die Töpfer seit Jahrtausenden allerhöchste persönliche Freiheiten. In der Bonsaischalentöpferei ist das etwas anderes. Die Töpferei von Hand ohne Form verlangt vom Töpfer eine hohe Fingerfertigkeit, gute Materialkenntnis und ein hohes ästhetisches Empfinden. Der Töpfer muss sich jedoch, speziell in der Bonsaischalentöpferei, dem Natürlichen unterordnen. Er muss versuchen die Balance zu halten zwischen Natur und Kunst. Man könnte einwenden, dass antike chinesische Bonsaischalen reich verziert, farbenfroh und manchmal sehr stark folkloristisch sind, die künstlerische Seite also sehr dominant ist. Das hängt damit zusammen, dass es am Anfang der Bonsaigeschichte keine zum Baum passende Keramik gab, sondern die ersten Pflanzschalen zweckentfremdete Kultgefäße waren. Erst vor ca. 200 - 300 Jahren entstanden in China Töpfereien , die sich auf Bonsaischalen spezialisierten. Sie töpferten anfangs wohl noch für den chinesischen Eigenbedarf, dann aber zunehmend für japanische Kunden. Im Laufe dieser Zeit entwickelte sich die Schalentöpferei unter chinesischen, koreanischen und japanischen Geschmacksvorstellungen hin zur einfachen schlichten Form. Ich nehme an, daß dieser Geschmack sich im Zusammenhang mit der ausgefeilten Ästhetik der Teeschale entwickelt hat. Nicht zuletzt ist es dem Teemeister RIKYU (Pflichtlektüre für Bonsaiästhetiker ist das Buch von Horst Hammitsch, Zen in der Kunst der Tee-Weges) zu verdanken, dass einfachsten und schlichtesten Formen höchster Stellenwert zugestanden wurde. Importierte chinesische, nach japanischem Geschmack erstellte Schalen waren vor ca. 200 Jahren schon sehr gefragt. Dieser spezielle Geschmack ist die geistige und sinnliche Wurzel der Bonsaischalen-Töpferei bis in unsere heutige Zeit. Man könnte fast sagen, dieser Geschmack ist scheinbar zeitlos geworden und wird weiter Bestand haben. Die Elemente Erde, Feuer, Wasser und Luft stehen in enger Verbindung mit den menschlichen Sinnen. Gerade in der Bonsaikunst gilt es, diesen Geschmack zu erkennen und zu verfeinern. In Japan ist dieser in seiner Empfindung wie in der begrifflichen Fassung über Jahrhunderte immer mehr differenziert worden.
Geschmack und Gefühl verschmelzen ineinander und bringen etwas organisch Sinnliches hervor.

SHIBUI
herb, schlich, geschmackvoll

SHIBUMI
verfeinerter Geschmack

SHIBUSA
etwas ruhiges, unaufdringliches, mit absoluter Sicherheit Erstelltes, nicht laut oder grell.


Diese Begriffe beschreiben die in einem Objekt innewohnende Schönheit. Trotzdem entziehen sich die hier vorgestellten Schalen eigentlich diskret der begrifflichen Fassung. Sie besitzen eine hohe sinnliche Präsenz, die auch durch ein noch so gutes Foto nicht wiederzugeben ist. Diese Schalen muss man körperlich erleben, mit der Seele sehen.

 

 

The harmony between tree and pot is of extraordinary importance. The pot is an enhancement of the tree and can improve its quality. But how do you find the right pot among all the countless pots provided in every shape, colour and size? I suppose it is a lifelong process of occupation with bonsai that leads to increasing competence in choosing pots. The choice of a certain pot requires a complex knowledge and mastery of the bonsai art. Only a great number of bonsai pictures (trees, pots and both in combination) stored in the brain enables us to find new combinations in order to choose the appropriate pot for a tree. This is the goal. On the way to this goal, every every mistake that we make and recognize deepens our knowledge, until we arrive at a firm judgement at the end.


For centuries potters had all personal freedom when creating ceramic pots. Bonsai pottery is different. Making pots by hand without moulds requires a potter with great dexterity, good knowledge of the materials involved and a lot of aesthetic sense. The potter must take a subordinate role to the elements, especially when creating bonsai pots. He must try to keep balance between nature and art. This seems to contradict the observation that ancient Chinese bonsai pots are richly decorated, colourful and in some cases with a strong ethnic component, so the artistic side is dominant in them. The reason is that in the beginning of bonsai history there were no special ceramics made to fit the trees. The first pots that were used for bonsai originally were ritual containers.

In China, it was only 200-300 years ago that potteries started to specialize on bonsai pots. At first they produced for the local Chinese market, but then also for Japanese customers. It was during this time that, influenced by the taste of Chinese, Korean and Japanese customers, bonsai pottery started to develop simpler, unadorned forms. We assume that this taste developed under the influence of the refined asthetics of the tea ceremony. It is the tea master RIKYU who contributed most to the increased appreciation of the pure and simple forms.

Imported pots from China that were made to suit the Japanese taste were already very popular 200 years ago. Today this special taste is still the spiritual and sensual root of bonsai pottery. It seems to have become a timeless taste that will prevail. The elements of earth, fire, water and air are strongly connected to the human senses. In bonsai art the taste for this should be recognised and refined. In Japan, over the centuries this taste been increasingly differentiated both in the sensual as well as the descriptive dimension. Taste and feeling fuse together and result in an organic sensuality.

 


SHIBUI
austere, plain, tasteful


SHIBUMI
refined taste

SHIBUSA
something calm, unobtrusive, created with absolute confidence, nothing loud or garish

These terms describe the inner beauty of an object. Nevertheless the pots on the photographs can hardly be described in words. They have a great sensual presence which can not be captured on even the best photographs. Pots like these must be physically felt, they must be seen with the soul.




Eine wunderschöne alte, in Gebrauch gewesene Schale. Durch Patina bekommt die Oberfläche eine große Lebendigkeit. Solch eine Schale ist bestimmt für einen chinesischen Wachholder, eine Kiefer oder Azalee. Im unten stehendem Foto ist das riesige Wasserabzugsloch gut zu sehen. Auch das ist ein Zeichen für eine alte Schale. Teilweise gab es Schalen die überhaupt keinen Boden hatten, nur einen schmalen Bodenrand. Auf diesen wurde dann ein Bambusgitter gelegt.
Maße: 54,5 cm x 34 cm x 19 cm

 

A beautiful old, well-used pot. Patina gives liveliness to the surface. A pot like this is destined for a Chinese juniper, a pine or azalea. In the picture below, the huge drainage hole is visible. This is also evidence of an old pot. There were even pots that hat no bottom at all, just a narrow rim on which a bamboo grid was placed.

Size: 54,5 cm x 34 cm x 19 cm.




Blick in die Schale mit ihrer großen Ablauföffnung. Deutlich zu erkennen sind die Gebrauchsspuren, vor allem am Schalenrand.

 

View of the pot's inside with the large drainage hole. The traces of daily use can clearly be seen, especially on the pot's rim.




Eine flache Schale mit der gleichen Patina. Im Unterschied zur ersten Schale ist sie sehr feminin. Die weiche Linienführung und besonders die Wolkenfüßchen beschränken ihren Gebrauch auf einen filigranen chinesischen Wachholder, eine Mädchenkiefer oder eine Azalee. Für eine Schwarzkiefer zum Beispiel wäre sie ungeeignet.
Maße: 51,5 cm x 30,5 cm x 11,5 cm

 

A shallow pot with a similar patina. Unlike the first pot this one is very feminine. The soft lines and especially the cloud-shaped feet limit its use to a delicate Chinese juniper, a Japanese white pine or an azalea. It would not be suitable for a black pine.

 

Size: 51,5 cm x 30,5 cm x 11,5 cm